William Voltz

Biografie

Teil 25

Dirk bezog ein Einbett-Apartment im mittleren Teil unserer aus zehn Häuschen bestehenden Urlaubsanlage. Der Besuch und die damit verbundene Abwechslung kamen uns sehr gelegen. Willi freute sich darüber, dass er einen Freund hatte, mit dem er abends auch mal ein Bier trinken gehen konnte.

Als wir erfuhren, dass Dirk geplant hatte, für ein paar Tage nach Athen zu fliegen, stimmten wir seinem Vorschlag, ihn zu begleiten, sofort zu.

Bevor wir diese Reise antraten, machten wir noch einen Ausflug nach Thessaloniki. Wir fanden ein schönes Restaurant, an einen Hügel gebaut und mit Blick aufs Wasser. Als uns dann noch ein sehr gutes Fischgericht mit wunderbaren Beilagen serviert wurde, kamen wir in die richtige Urlaubsstimmung. Nach einem ausgedehnten Spaziergang durch die interessante Hafenstadt besuchten wir das Reisebüro, buchten unseren Flug nach Athen und wurden vom Freund der Familie Hess nach Hause eingeladen.

Wir freuten uns auf Athen. Es sollte nach einem Ausflug unserer Kegler, der uns an Pfingsten ’72 für eine Woche nach Mallorca gebracht hatte, mein zweiter Flug werden. Willi hatte nach seiner Thailand-Reise schon etwas mehr Flugerfahrung.

Wir packten unsere Koffer und fuhren einen Tag vor dem Abflug nach Thessaloniki. Auf Empfehlung des Reisebüros übernachteten wir in einem Hotel, in dem wir uns wohl fühlten. Kinder waren überall gerne gesehen, und das kam uns sehr entgegen. Es sollte nicht unser letzter Besuch in diesem Hotel gewesen sein. Am nächsten Morgen fuhren wir zum Flughafen. Es überraschte uns, dass wir nach dem check in hinter einer provisorisch aufgestellten Wand nach Waffen abgesucht wurden. Als einige Wochen nach unserem Griechenlandaufenthalt genau in diesem Terminal eine Bombe gezündet wurde und Menschen dabei ums Leben kamen, wurde uns die Notwendigkeit dieser Maßnahme bewusst. Allerdings musste man auch erkennen, dass sie keine Garantie für Sicherheit bietet.

Wir flogen mit OLYMPIC AIRLINES, die dem damaligen Reeder Aristoteles Onassis gehörte, nach Athen. Während des etwa zweistündigen Fluges machte uns der Pilot darauf aufmerksam, dass wir uns über der Insel Skorpios befinden würden und möglicherweise Jackie (Kennedy), die damals mit Onassis verheiratet war und viel Zeit auf dieser Insel verbrachte, gerade ein Sonnenbad nehmen könnte.

Vom Flughafen fuhren wir mit dem Taxi in die Stadt. Wir konnten es kaum erwarten, endlich die Stadt und ihre Schönheiten zu sehen. Was wir zuerst sahen, war eine riesige, dunkle Dunstwolke, die über ganz Athen hing. “Der Smog gehört zu Athen wie die Akropolis!” sagte man uns.

Untergebracht waren wir im Hotel EUROPA am Omonia-Platz. Das Zimmer war groß und etwas gammelig. Die Gardine hing teilweise herunter und in den Ecken hingen Spinnweben. Die Decken in diesem alten Haus waren sehr hoch. Vielleicht war das der Grund dafür, dass noch niemand die Reparatur der Gardine in Angriff genommen hatte.

In dem Zimmer standen ein so genanntes Ehebett und ein kleines Bett gegenüber an der Wand.

Die Aufteilung der Schlafgelegenheiten war schnell erledigt. Wir waren inzwischen geübt darin, vier Personen in drei Betten unterzubringen. Willi schlief mit den Kindern im großen Bett. Für mich blieb das kleine, das für Willi eindeutig zu kurz gewesen wäre.

Nach dem Auspacken trieb es uns nach draußen – wir wollten Athen erkunden. An diesem heißen Sommerabend waren viele Menschen unterwegs und es fiel uns am Omonia-Platz eine größere, etwas aufgeregt wirkende und laut diskutierende Gruppe auf. „Da muss etwas passiert sein!“ war unser erster Gedanke. Schnell stellten wir fest, dass es sich nur um Männer handelte, die sich zum palavern auf der Straße getroffen hatten.

Wir gingen weiter und suchten nach einem gemütlichen Restaurant. Wir fanden eins, das unseren Vorstellungen entsprach und traten ein. Sofort kam ein Kellner, der uns einen Tisch anwies. Bevor ich mich setzen konnte, rief von der Küche aus der Koch und machte mir durch Handzeichen deutlich, dass ich zu ihm kommen solle. Er hatte uns sofort als Touristen erkannt, und um uns die Auswahl zu erleichtern, zeigte er mir alles, was auf den Herden in den Töpfen und Pfannen brutzelte. Ich verstand kein Wort von dem was der freundliche Grieche mir erzählte. Unter dem Motto, dass man auch mit den Augen ist, suchte ich etwas für uns aus, das sich später als Moussaka herausstellte. Es schmeckte etwas fremdartig für unsere damals noch auf deutsche Kost eingestellten Geschmacksnerven, aber wir verließen satt und zufrieden das Lokal.

Für den Abend hatte sich Willi mit Dirk verabredet. Die beiden wollten das Athener Vergnügungsviertel, die Plaka, kennen lernen. Während sie den Abend bei gutem Rotwein und Musik genießen konnten, verbrachte ich die Zeit im Bad und hatte den Eindruck, dass ich die Rückreise wohl nicht mehr lebend antreten werde…

Willi brachte mich nach seiner Rückkehr ins Bett und irgendwann konnten wir auch schlafen.

Am Morgen wurde ich von einem heftigen Rütteln geweckt. Noch sehr verschlafen nach der kurzen Nacht dachte ich im ersten Moment, dass Willi und die Kinder sich mit mir einen Scherz erlauben würden. „Aufhören!“ sagte ich und richtete mich auf. Willi und die Buben saßen im Bett. Sie wirkten, genau wie ich, etwas irritiert.

„Das ist ein Erdbeben“, meinte Willi. Nach ein paar Sekunden war alles vorüber. Ich eilte zum Fenster, um zu sehen, was auf der Straße los war. Die Menschen gingen jedoch ganz ruhig und ohne Panik ihres Weges. Wir kamen zu der Überzeugung, dass solche kurzen Erdstöße für diese Gegend vermutlich nichts Ungewöhnliches waren.

Wir hatten uns schnell von unserem „Schock“ erholt und gingen zum Frühstücksraum. Dort war das Beben an diesem Tag das große Thema. Nach dem Frühstück suchten wir uns ein Taxi und zeigten dem Fahrer auf der Karte, wohin er uns fahren sollte. An diesem und den folgenden zwei Tagen versuchten wir so viel wie nur möglich von Athen zu sehen. Wir legten unzählige Kilometer zu Fuß zurück und ich bewunderte unsere kleinen Buben für ihre Ausdauer und Geduld. Die schönen Parks und Spielgelegenheiten mitten in Athen waren sehr hilfreich – sie dienten den Kindern zum Toben und wir hatten Gelegenheit, unsere geschundenen Füße auszuruhen.

Nach unserer Rückkehr zum Camp Mylos wussten wir die dortige Ruhe und Einsamkeit zu genießen.

Ein paar Tage später musste Dirk wieder nach Frankfurt zurück.

Wir erkundeten die Umgebung oder verbrachten die Zeit am Strand. Für Willi, der kurz vor unserer Abreise den Auftrag bekommen hatte, die drei ersten DRAGON-Romane zu schreiben, bedeutete die Zeit am Strand arbeiten. Der Auftrag sagte Willi nicht unbedingt zu. Weder lag ihm das Thema, noch hatte er Zeit. Schließlich wollten wir uns auf unseren Urlaub konzentrieren…

„Voltz, Sie müssen uns helfen. Die Zeit ist knapp – es eilt!“ klagte Kurt Bernhardt.

Willi kaufte sich eine kleine, in einem Koffer untergebrachte Reiseschreibmaschine. Sie wurde im Verlauf der nächsten Wochen heftig traktiert und sollte ab sofort in unseren Urlauben ein ständiger Begleiter sein.

Drei Romane in sechs Wochen, von denen maximal vier zum Schreiben blieben – wie sollte das gehen? Es ging!

G.M. Schelwokat schilderte zwölf Jahre später im William Voltz-Gedächtnisband seine Erinnerungen an dieses Ereignis.

Ich erinnere mich an einen Tag, der, wie viele andere, nicht aus meinem Gedächtnis zu löschen ist.

Die Kinder hielten ihren Mittagsschlaf. Willi saß auf unserer strohbedeckten Terrasse und tippte DRAGON, während ich am Strand lag und urlaubte. Sehr gut ist mir noch das wohlige Gefühl in Erinnerung - Sonne, Strand, Ruhe, einfach alles was man braucht, um zu entspannen. Das typische Geklapper der kleinen Schreibmaschine war zu hören. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis aufzustehen und zu Willi zu gehen. Irgendetwas trieb mich, obwohl ich mich doch eigentlich so wohl fühlte und gar keine Lust hatte aufzustehen… Ich stand trotzdem auf und ging zu Willi.

„Na“ sagte er, „willst du mich von der Arbeit abhalten?“

In dem Moment sah ich eine Schlange, die nicht mehr als einen Meter von Willi entfernt war und genau auf seine Füße zu kroch. Die Schlange war wahrscheinlich genauso erschrocken wie wir und verzog sich. Auf unsere Anfrage bei dem Besitzer der Anlage, welche Arten von Schlangen es denn hier gäbe, bekamen wir die Antwort: „Giftige und ungiftige!“ Um welche es sich in unserem Fall gehandelt hatte, erfuhren wir nie.

Teil 26

In unserem Urlaubscamp wohnten noch zwei Familien mit Kindern. Ein Ehepaar kam aus München. Sie hatten einen schulpflichtigen Sohn und eine kleinere Tochter. Die späte Ferienzeit in Bayern erlaubte es der Familie, dem Olympia-Stress entgehen zu können. 1972 war das große Jahr der Olympischen Sommerspiele in München. Da es Zeitungen auch in unserem abgelegenen Urlaubsort gab, hörten wir bald von den tragischen Ereignissen des 5. September.

Palästinensisches Kommando – israelische Mannschaft – Befreiungsversuch – 17 Tote. Tragische Ereignisse, die unsere Urlaubsstimmung auf traurige Weise beeinflussten.

Die letzte Urlaubswoche verbrachten wir alleine in unserem Camp. Wenn wir abends auf der Terrasse saßen, Karten oder Mensch ärgere dich nicht mit den Kindern spielten, hörten wir merkwürdige Geräusche. Der Wind trug seinen Teil dazu bei. Das „Gekraschpel“ jedoch, das über uns zu hören war, beunruhigte uns. Willi nahm einen Besenstiel und stocherte im Stroh herum. Was wir zu sehen bekamen beruhigte uns in keiner Weise, sondern bestätigte unseren anfänglichen Verdacht – Ratten. „Die warten schon darauf, dass wir endlich verschwinden“, sagte Willi, „dann können sie wieder ins Haus!“

Wir entschuldigten uns für unser Eindringen und baten um ein paar Tage Geduld.

Der Tag der Abreise nahte und wir freuten uns auf zu Hause. Willi hatte tatsächlich drei DRAGON-Romane fertig gestellt. G.M. Schelwokat wartete mit Sicherheit in Straubing auf Willis Nachricht, dass er ihm die Romane auf dem Nachhauseweg abliefern würde.

Wir fuhren früh los, und planten, am Abend im Norden Jugoslawiens zu übernachten. In Thessaloniki herrschte viel Verkehr. Die Menschen fuhren mit ihren Autos, Fahrrädern und Mopeds zur Arbeit oder standen in größeren Gruppen an den Bushaltestellen. Als wir aus der Stadt hinausfuhren, drehte ich mich um, damit ich noch einen letzten Blick auf das Treiben in dieser großen Stadt werfen konnte. Was ich erblickte, lies keine Freude aufkommen. Aus dem Auspuff unseres Sorgenkinds Alfa kamen dicke, schwarze Rauchwolken. Wir kehrten um und fuhren direkt zurück zum Reisebüro. Wir waren sehr froh darüber, dass wir noch in der Stadt waren und nicht irgendwo in einer unbelebten Gegend. Freundlich und hilfsbreit, wie wir es von den Griechen inzwischen gewöhnt waren, brachte man uns in eine nahe liegende Werkstatt. Es sollte etwa zwei Stunden dauern, bis man uns sagen konnte, um welchen Fehler es sich handelt und wie lange es dauern würde, diesen zu beheben.

Inzwischen war es Mittagszeit und der Hunger meldete sich. Wir wollten uns nicht zu weit von der Werkstatt entfernen und gingen in ein kleines Lokal gleich gegenüber. Auf den ersten Blick sah alles so aus, wie in jedem anderen, einfachen Lokal auch. Tische mit Plastikdecken, Stühle, keine Theke, dafür aber mitten im Lokal etwas, das aussah wie eine Miniküche, die durch eine Glaswand abgetrennt war.

Willi und die Kinder setzten sich an einen Tisch, während ich erst einmal einen anderen Platz aufsuchen wollte. Auf dem Weg dorthin kam ich an dieser Glaswand vorbei und sah einen Mann, der damit beschäftigt war, etwas helles fleischiges zu zerkleinern, das mich an das Futter erinnerte, das ich als Kind für unseren Hund kaufen musste. Dahinter stand eine Frau vor einem riesigen Topf und rührte mit einem großen Kochlöffel darin herum. Das von dem Mann klein geschnittene landete in dem großen Topf. Mir war klar, dass ich davon nichts essen möchte.

Als ich an den Tisch zurückkam, fragte ich Willi, ob man ihm eine Speisenkarte gebracht hätte. „Nee“, meinte er, „es gibt hier nur ein Gericht. Ich glaube es ist eine Suppe.“ Wir bezahlten die bestellte Limonade und verließen das Lokal.

In der Werkstatt konnte man uns inzwischen sagen, dass die Reparatur bis zum nächsten Tag dauern würde, weil man Teile besorgen musste. Wir bestellten ein Taxi, luden das Auto aus und fuhren zu dem kleinen Hotel, das wir bereits kannten. Wir bekamen dasselbe Zimmer wie zuvor und die Kinder bestellten sich Spaghetti mit Fleischsoße, wie beim letzten Mal.

Willi kam der zusätzliche Ferientag gelegen, weil er seit Tagen eine Bronchitis hatte und sich nicht sehr gut fühlte. Nach dem zusätzlichen Ferientag in Thessaloniki fuhren wir am nächsten Morgen per Taxi zurück zur Werkstatt und konnten unser Auto abholen. Der freundliche Mann vom Reisebüro übersetzte uns die Instruktionen, die uns der Werkstattleiter mit auf den Weg gegeben hatte.

Nach ca. 500 Kilometern musste eine stimmte Schraube noch einmal angezogen werden.

Wir hofften darauf, eine Werkstatt zu finden, die das für uns erledigen konnte.

Der Alfa fuhr und es kamen keine schwarzen Rauchwolken aus dem Auspuff.

Nachdem wir annähernd die 500 Kilometer zurückgelegt hatten, suchten wir eine Werkstatt.

Wie wir befürchtet hatten, war das gar nicht so einfach. Als wir die Hoffnung fast schon aufgegeben hatten, doch noch eine Werkstatt zu finden, sah ich ein Schild am Straßenrand, auf dem „Peugeot“ stand. Willi bog in die angegebene Straße ein und tatsächlich war da eine kleine Werkstatt. Es beruhigte Willi sehr, als er feststellen konnte, dass einer der dort arbeitenden Männer etwas deutsch sprach.

Da sich Willi immer noch nicht wohl fühlte, entschlossen wir uns zu einer zusätzlichen Übernachtung. Wir fanden ein Hotel, das unseren Vorstellungen entsprach – entsprechen musste, denn eine Auswahl gab es auch nicht. Willi wollte nicht mit uns zum Essen ins Lokal gehen. „Ich ruhe mich lieber aus“, sagte er. „Aber Du kannst mir etwas bestellen und aufs Zimmer bringen lassen. Nicht viel, vielleicht einen Käsetoast.“

Er bekam in einem Körbchen den Toast serviert, jedoch ohne Käse.

Am nächsten Morgen, Willi ging es etwas besser, fuhren wir weiter in Richtung Norden und übernachteten noch einmal in Llublijana. Was uns sehr erfreute war das Essen in diesem familiär geführten Haus. Es erinnerte schon etwas an die deutsche Küche und wir ließen uns Schnitzel, Kartoffeln und Gemüse schmecken als hätten wir wochenlang von Wasser und Brot gelebt.

Wir fuhren durch Österreich und kamen am Nachmittag in Deutschland an. GMS erwartete uns bereits. Per Postkarte hatte Willi mitgeteilt, wann wir etwa in Straubing eintreffen würden. Nun waren Willi und die DRAGON-Romane schon zwei Tage überfällig. Von einem öffentlichen Telefon aus hatte Willi GMS angerufen und beruhigt, indem er ihm berichtete, dass er mit den Romanen noch an diesem Nachmittag bei ihm eintreffen werde.

Willi, der immer darauf bedacht war, niemanden unnötig zu belasten, besonders nicht mit seinen Kindern, meinte, dass es wohl besser sei, das kinderlose Ehepaar alleine aufzusuchen. Er setzte uns an der ersten Kneipe am Stadtrand von Straubing ab mit dem Versprechen, bald wieder zurück zu sein. Stephen und Ralph wünschten sich Kartoffelsalat, Würstchen und Limonade. Als alles vertilgt war, aber Willi noch nicht zurück, entschloss ich mich, mit den Kindern spazieren zu gehen. Wieder musste ich die Geduld meiner Kinder bewundern. Ich war weniger begeistert von der Unterbrechung der Heimfahrt. Endlich sah ich unseren Alfa ankommen.

„Schelwokats möchten, dass ich euch zu ihnen nach Hause bringe“, sagte Willi.

„Das hätten sie früher haben können!“, war meine etwas nervöse Reaktion.

„Sie wollen außerdem mit uns heute Abend essen gehen. Herr Schelwokat ist ganz begeistert davon, dass ich ihm die Romane abgeliefert habe!“

Wir fuhren in die Obere Bachstrasse und wurden von Schelwokats sehr freundlich empfangen. Nachdem sie fast alles über unseren Abenteuerurlaub wussten, fuhren wir zu einem italienischen Restaurant, aßen gut und durften dann endlich nach Hause fahren.

Todmüde kamen wir in Offenbach an. Ich brachte die Kinder ins Bett und Willi packte das Auto aus.

Am nächsten Morgen, erstaunlich früh, war Willi wach und ließ mich wissen, dass er zur Alfa Vertretung fahren würde, um sich ein neues Auto zu kaufen.

„Muss das unbedingt heute sein?“ war meine Reaktion.

„Ich habe ein ungutes Gefühl. Ich glaube, dass es besser ist, das Auto los zu werden“, war seine Antwort.

Sofort nach dem Frühstück fuhr er los. Ein paar Stunden später kam er zurück und ließ mich wissen: „Da unten steht unser neues Auto!“

Als ich auf unserem gemieteten Parkplatz im Hof das neue Auto sah, war ich entsetzt. „Das ist ja eine schreckliche Farbe. Ockergelb!“ Meine Abscheu gegen diese Farbe war mir deutlich anzusehen.

„Es war das einzige Auto, das ich sofort mitnehmen konnte. Es hätte Wochen gedauert, bevor wir ein Auto nach Wunsch hätten bekommen können.“

Ich fand mich mit der Situation ab.

Genau vier Wochen nach unserer Rückkehr aus Griechenland rief der Besitzer des Autohauses bei Willi an. Nach dem Gespräch kam er, etwas blass, zu mir in die Küche.

„Weißt Du was“, sagte er, „Herr Schneider von Alfa rief gerade an. Er sagte mir, dass ich froh sein solle, das Auto rechtzeitig verkauft zu haben. Er hatte einen Anruf vom neuen Besitzer. Der Motor sei explodiert und ihm um die Ohren geflogen…“

Ich machte mir von da an keine Gedanken mehr um die Farbe unseres neuen Alfas.

Vielleicht gibt es doch so etwas wie Vorahnungen…

Teil 27

Für die ATLAN-Serie schrieb Willi im sich dem Ende neigenden Jahr 1972 noch zwei Romane. Diese waren:

Nr. 61 „Der Positronik-Boy“ und
Nr. 77 „Der Robotmensch und der Mutant“ (Willis Titel: Die letzte Spur)

Ab Heft Nr.78 wurde die ATLAN-Serie wöchentlich gebracht. Ab Band Nr.88 erschien ATLAN-Exklusiv.

Willi verfasste außerdem noch ein Taschenbuch, dem er den Titel „Die Söhne Terras“ gab. Es erschien 1973 unter einem anderen Titel. Auch der TERRA ASTRA-Roman, der als Erstdruck 1973 erscheinen sollte, bekam von G.M. Schelwokat einen anderen Titel. (Willis Wahl war: „Der Krieg gegen die Dranks“.)

Da mir Kinder, Haushalt und andere Aufgaben wenig Zeit ließen, wurden Willis Romane seit etwa drei Jahren von unserer Freundin Lilo abgeschrieben und in die für den Verlag vorgesehene „Reinschrift“ gebracht. Willi war begeistert von den ordentlichen, fehlerfreien Manuskripten, die Lilo ablieferte. Doch schon bald war Willi der Meinung, dass er jetzt genug Routine habe und seine Romane ohne nochmaliges Abschreiben abliefern könnte.

Wir wohnten immer noch in der kleinen Wohnung in Offenbach und ich musste unsere Kinder oft außer Haus beschäftigen, damit Willi die nötige Ruhe zum Arbeiten hatte. Ein beliebter Platz war das Vereinsgelände der Rosenhöhe. Hier konnten sich die Kinder austoben und hier sollten sie auch bald in Mini-Fußballschuhen ihre ersten Versuche unternehmen, den Verein sportlich zu unterstützen.

Unsere Schlafräume hatten wir inzwischen umgestaltet. Das Kinderzimmer, das bisher Willis Arbeitszimmer war, gehörte nun ganz den Kindern. Unser Schlafzimmer diente tagsüber als Arbeitszimmer in dem abends, nach einem kleinen Umbau, geschlafen wurde.

Willi, der Pazifist, besaß immer noch eine alte Winchester und eine kleine Pistole, die ihm Herbert vor Jahren verkauft hatte. Warum ausgerechnet Willi diese Waffen gekauft hatte, war mir unverständlich, da er weder an Waffen interessiert war noch jemals, z.B. aus sportlichen Gründen, damit geschossen hatte.

Spät abends, wir hatten den ganzen Tag gearbeitet und waren müde, stand Willi mit der Winchester in den Händen vor mir und überlegte, wo er sie unterbringen könnte. Er stellte die Waffe zwischen Schrank und Wand, wo sich eine schmale Öffnung befand. Ich äußerte meine Bedenken, die Willi versuchte mir auszureden. „Die Waffe ist nicht geladen, da kann nichts passieren!“ Die Munition deponierte er in einer Schublade unseres neuen Anbauschranks.

Inzwischen hatte der Verlag nach Rücksprache mit K.H. Scheer und Willi angeordnet, dass die ATLAN-Exposés ab Band Nr.81 alleine von Willi angefertigt werden. Herberts labiler Gesundheitszustand garantierte nicht mehr die Einhaltung der Terminplanung. Die Redaktion musste reagieren, um größere Probleme in der Zukunft auszuschließen.

Am 1.Februar 1973 teilte Kurt Bernhardt Willi mit, dass er seinen Roman ROBOT LEGENDE als Band Nummer 3 in der UTOPIA-Großband Reihe eingeplant habe. Da Willis Manuskript nur einen Umfang von 202.500 Anschlägen hatte, musste er den Roman um 37.500 Anschläge erweitern. Herr Bernhardt schrieb: „Machen Sie es sich so einfach wie möglich. Es wäre mir lieb, wenn ich das Manuskript in den nächsten acht Tagen zurückerhalten würde.“

Bereits am 9.2. wurde der Vertrag für ROBOT LEGENDE ausgestellt.

Noch im selben Monat ließ Kurt Bernhardt die Autoren wissen, dass zwei der Kollegen sich mit dem angebotenen Honorar nicht zufrieden geben möchten. Er schrieb: „Aufgrund dieser neuen Situation kann der Verlag die UTOPIA-Taschenbücher zu einem Preis von DM 2,– nicht herausbringen. Das Erscheinen der UTOPIA-Reihe wird daher zurückgestellt.“

Obwohl Kurt Bernhardt mehrmals in der Woche telefonischen Kontakt zu Willi hatte, wurden immer noch viele Briefe geschrieben, in denen mehr oder weniger ausführlich Nachrichten übermittelt und Themen besprochen wurden.

Hier einige Beispiele, die zeigen, dass der Cheflektor Willis Arbeit schätzte und auf die Meinung seines Autors großen Wert gelegt hatte.

Im April bekam Willi Post von Erich v. Däniken. Er schrieb:

Sehr geehrter Herr Voltz,

wie Ihnen mein Freund Walter Ernsting mitgeteilt hat, möchte ich bei meinem Bildband, der im Herbst auf den Markt kommt, für eine Gruppe phantasieloser Hornochsen demonstrieren, wie ein Kugelraumschiff aussehen könnte. Ich habe aus dem Band „PERRY RHODAN“ 50 Riss-Zeichnungen folgende Kugelraumschiffe ausgewählt:

Es ging im Folgenden um das Copyright und die Zahlung an die Zeichner. Er war außerdem der Meinung:

„… dass der Abdruck der beiden Bilder in seinem Bildband keine schlechte Reklame für die beiden Zeichner, wie auch für die technische Qualität von PR hergibt.“

Dänikens Brief war, wie alle anderen die Willi von ihm bekam, nicht unterschrieben. Sie endeten mit dem üblichen: Ihr Erich von Däniken (nach Diktat verreist). Die Sekretärin unterschrieb im Auftrag.

Im Mai machten die Alten Herren der Rosenhöhe eine Wochenendreise zu einem Turnier nach Berlin. Es sollte ein Wochenende werden, das nie mehr aus meinem Gedächtnis gelöscht werden kann und das mir heute noch, nach siebenunddreißig Jahren, großes Unbehagen bereitet, wenn ich daran denke, was hätte passieren können. Ich erzähle diese Geschichte auch, weil sie der Beweis dafür ist, dass man Kinder, egal wie jung sie sind, nicht unterschätzen sollte.

Als ich morgens aufwachte, hörte ich meine Kinder bereits in ihrem Zimmer spielen. Sie wussten sich immer zu beschäftigen. Schallplatten wurden aufgelegt, mit Legos gebaut, Bücher betrachtet, und manchmal wurde auch gestritten. Es hörte sich alles recht friedlich und normal an. Ich wollte nur noch kurz ins Bad gehen, meinen Kindern einen Guten Morgen wünschen und uns das Frühstück zubereiten.

Es ist schwer zu erklären oder zu schildern, was in mir vorging, als dieser Schlag zu hören war, der gerade unsere Wohnung, wahrscheinlich das ganze Haus erschüttert hatte. In Bruchteilen von Sekunden gingen mir Gedanken durch den Kopf, was diesen Knall verursacht haben könnte. Ist das Etagenbett umgefallen und gleichzeitig der Schrank? Liegen meine Kinder darunter? Ich ahnte, dass etwas anderes diesen Schlag verursacht haben musste. Im Flur war Stephen, der versuchte, die Tür zum Treppenhaus zu öffnen. Sie war noch verschlossen. Er schrie völlig hysterisch: „Es brennt, es brennt…“ Sein Bruder Ralph saß im Zimmer auf dem Fußboden, sah mich an und sagte immer wieder: „Stephen hat eine Kugel genommen, Stephen hat eine Kugel genommen…“ Froh darüber, dass meinen Kindern nichts passiert war, nahm ich Stephen in den Arm und beruhigte ihn. Es brannte nicht, roch nur merkwürdig und ich sah aus der Heizung schmutziges Wasser laufen. Da sah ich auf dem Boden die Winchester liegen. Nun war mir klar, was Ralph mit „Kugel“ gemeint hatte. Aus der Küche holte ich einen Topf und stellte ihn unter das Loch in der Heizung. Danach setzte ich mich mit meinen Kindern auf den Boden. Wir kuschelten uns aneinander und ich war, trotz des Schocks den wir zu verarbeiten hatten, erleichtert und dankbar.

Es wunderte mich, dass niemand bei uns klingelte. Der Schuss musste weithin zu hören gewesen sein. Ich rief unseren Hausbesitzer an, mit dem wir ein gutes Verhältnis hatten, und schilderte die Situation. Auch er war froh darüber, dass nur der Heizkörper beschädigt war, den man problemlos austauschen konnte.

Kaum hatte ich aufgelegt, läutete das Telefon. Aha, dachte ich, jetzt geht's los. Alle wollen wissen, was passiert ist und werden mich fragen, wie so etwas geschehen konnte. Die Nachbarn werden mich beschimpfen und mir sagen, wie leichtsinnig es ist, eine Waffe im Haus aufzubewahren.

Es war Willi, dessen Anruf ich um diese Zeit nicht erwartet hätte. Nach einer kurzen Begrüßung kam er gleich zum Anlass seines frühen Anrufs:

„Sag mal, ist mit den Kindern alles in Ordnung?“

„Ja“, antwortete ich, „die sitzen hier und spielen. Warum fragst Du?“ „Ach“, meinte Willi, „ich hatte heute Nacht einen schrecklichen Traum. Es war wie…ja – wie Krieg. Es wurde geschossen und die Kinder waren mittendrin. Ich wachte auf und konnte nicht mehr schlafen!“

Willi konnte von dem Vorfall in unserer Wohnung nichts wissen. Nach einigen Sekunden des Schweigens erzählte ich ihm von Stephens Ausflug in den Wilden Westen. Willi war geschockt. Er fragte, ob er nach Hause kommen solle. Ich verneinte. Es war ja alles in Ordnung…

Als ich meinen fünfjährigen Stephen fragte, woher er wissen konnte, wie man eine solche Waffe zu laden hatte, erklärte er mir: „Das hab' ich bei Bonanza gesehen!“ Ich erinnerte mich daran, dass Willi kürzlich mit den Kindern auf der Couch saß und diese Sendung, die sonntags nachmittags im Fernsehen gezeigt wurde, ansah. Es war wohl ein Fehler. Wir versprachen uns, in Zukunft besser aufzupassen und die Kinder nicht zu unterschätzen.

Im Juni unterrichtete Kurt Bernhardt KHS und WiVo davon, dass der Verlag eine neue PERRY RHODAN Weltraumkarte herausbringen möchte. Die erste Karte enthalte verschiedene Fehler und dies möchte man bei einer Neuauflage vermeiden.

Für die nächste Autorenkonferenz machte sich Willi Gedanken über die Weiterentwicklung der PERRY RHODAN-Serie und fertigte ein Exposé an.

Im Sommer des Jahres 1973 machte Willi noch einmal eine kurze Reise mit der Fußballmannschaft der Rosenhöhe. Diesmal ging es nach Prag. Auch unser Freund Siegfried nahm an dieser Busreise teil. Die gemeinsamen Erlebnisse schildert er in einem Bericht für diese Biografie.

Für unseren Sommerurlaub wollten wir noch einmal einen Trip nach Griechenland wagen. Etwas näher zur Stadt wollten wir wohnen, und nicht mehr so fernab von fast allem. Über das uns inzwischen gut bekannte Reisebüro in Thessaloniki buchten wir eine Wohnung am westlichen Strand von der Halbinsel Khalkidhiki.

Nach zwei Tagen Fahrt kamen wir abends in Saloniki an, holten den Schlüssel für die gemietete Wohnung im Reisebüro ab, aßen zu Abend und freuten uns, dass wir unser Ziel bald erreicht haben werden. Wir waren noch in der Stadt, als ich am Armaturenbrett ein rotes Lämpchen aufleuchten sah. „Nicht schon wieder“, stöhnte mein völlig übermüdeter William, fuhr an den Straßenrand und kroch unters Auto. Der Keilriemen war gerissen. „Wo soll ich jetzt einen Keilriemen herbekommen?“ Willi erinnerte sich daran gelesen zu haben, dass man kaputte Keilriemen im Notfall durch einen Nylonstrumpf ersetzen könnte. „Hast Du Strümpfe dabei?“ fragte er mich. Ich hatte nichts dabei, was er hätte benutzen können. Außerdem glaubte ich auch nicht, dass Willi die Reparatur selbst hätte vornehmen können. Wir riefen ein Taxi und luden die wichtigsten Sachen um. In der Hoffnung, unser Auto am nächsten Morgen noch vorzufinden, ließen wir uns in das kleine Hotel fahren, das wir schon bestens kannten. Auch der Wirt erinnerte sich an uns und gab uns das selbe Zimmer wie im Jahr zuvor. Wir sagten ihm, wo unser Auto steht. Am nächsten Morgen rief er eine Werkstatt an und sorgte dafür, dass wir unsere Fahrt fortsetzen konnten.

Das Apartment war, obwohl doppelt so teuer wie das Häuschen vom letzten Urlaub, sehr einfach eingerichtet und nicht sehr wohnlich. Es befand sich im zweiten Stock des dreistöckigen Hauses und hatte einen kleinen Balkon. Wenn wir nach Norden blickten, konnten wir die Großstadt Saloniki sehen. Der Nachteil der Stadtnähe wurde uns bald bewusst. Achtlos ins Wasser geworfener Unrat wurde an den Strand gespült, und offensichtlich führte die Kanalisation nur ein Stück weit von der Bucht ins Meer hinaus. Wir hatten trotzdem eine gute Zeit am Strand und bei Ausflügen, die wir in die nähere Umgebung machten. Willis Reise-Schreibmaschine kam auch in diesem Urlaub zum Einsatz.

Die Heimreise verlief ohne Komplikationen. Wir übernachteten wieder im nördlichen Jugoslawien und waren erleichtert, als wir endlich zu Hause ankamen. Für unseren nächsten Urlaub nahmen wir uns vor, einen Ort zu wählen, der nicht mehr so weit entfernt lag.

Nach Band Nr. 15 „Das Tal der Drachen“ für die DRAGON-Serie schrieb Willi im Jahr 1973 noch Nr. 25 „Herr der Kristalle“.

Für die PERRY RHODAN-Serie schrieb er die Romane:

Nr. 614 „Flugziel Andromeda“ (Die kranken Maahks)
Nr. 615 „Gefahr für Andromeda“ (Bahnhof der Verzweiflung)
Nr. 623 „Markt der Gehirne“
Nr. 628 „Der Ceynach-Jäger“
Nr. 635 „Das steinerne Gehirn“
Nr. 640 „Das verrückte Gehirn“ (Das Mordsystem)
Nr. 646 „Kontakte mit der Ewigkeit“ (Wiedersehen in Karthun)
Nr. 650 „Der Bund der Sieben“ (Der Fall Harmonie)
Nr. 655 „Der letzte Magier“ (Der letzte Zauberer)


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